TRUST

Technik, Unsicherheiten, Komplexität und Vertrauen

In einem Verfahren, das die Rückholung eingelagerter Abfälle im Falle einer ungünstigen Entwicklung des Lagers vorsieht, muss man sich frühzeitig Gedanken machen über Monitoring-Strategien, Entscheidungswege, Entscheidungsträger und Verantwortlichkeiten. Dies ist Gegenstand des TAP TRUST.

Verantwortlich: Prof. Dr. Clemens Walther (LUH-IRS)

Projektarbeit im TAP TRUST

  • Im Arbeitspaket TRUST geht es um Vertrauen. Vertrauen ist für das Zusammenleben von Menschen unerlässlich. Auch für Verfahren wie die Suche und Auswahl eines geeigneten Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle ist Vertrauen zwischen den beteiligten Akteur*innen1 unbedingt nötig; dazu gehört auch die Öffentlichkeit. Insbesondere beschäftigt sich das Arbeitspaket TRUST mit dem Vertrauen, das Laien in das Verfahren, in Behörden sowie in die Wissenschaft haben. Wie kann man Vertrauen gewinnen, wie entwickelt es sich über die Zeit und welches sind Faktoren, die Vertrauen schaffen?

    Der Ansatz, mit dem TRUST arbeitet, ist transdisziplinär. Was bedeutet das? Transdisziplinär heißt, dass es nicht nur einen Austausch zwischen verschiedenen Wissenschaftszweigen wie z.B. Psychologie, Geologie, Strahlenschutz etc. gibt, sondern dass wir über den akademisch-wissenschaftlichen Tellerrand schauen und interessierte Bürger*innen sowie weitere außerakademische Akteure aktiv in den Forschungsprozess einbeziehen. Dies geschieht in TRUST in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Bevölkerung (AGBe), die ein integraler Bestandteil des Arbeitspaketes ist. Dieser Gruppe gehören Männer und Frauen mit verschiedenen Erwerbsbiografien aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands an (zum Auswahlprozess siehe ARBEITSPROGRAMM DES TAP TRUST). Sie begleiten uns im Forschungsprozess, bringen ihr spezifisches Verständnis und Wissen über das Thema ein, geben kritischen Input und hinterfragen unsere Ansätze und Verfahren. Zugleich lernen sie die wissenschaftliche Forschung durch diesen Einblick besser kennen und können so die Arbeit der Forschenden besser verstehen. So können wir voneinander lernen und befähigt werden, andere Blickwinkel einzunehmen.

    Zurzeit läuft ein neues Verfahren, das in Deutschland zu einem Endlager für hochradioaktive Abfälle führen soll. Einer der Punkte, der immer wieder diskutiert wird, ist z. B. die Frage der Rückholbarkeit: So ist die Rückholung eingelagerter Abfälle im Falle einer ungünstigen Entwicklung des Lagers während der Einlagerungsphase vorgesehen. Allerdings müssen schon jetzt Überwachungsstrategien (z.B. Nahfeld-Monitoring), Entscheidungswege und Verantwortlichkeiten geklärt werden, damit eine Rückholung auch praktikabel und sicher vorgenommen werden kann. Hier stellen sich Fragen, die unter Beteiligung von Vertreter*innen der Öffentlichkeit bearbeitet werden:

    • Was bedeutet eine Rückholung der Abfälle für die Sicherheit der allgemeinen Bevölkerung?
    • Als wie vertrauenswürdig werden Messdaten und aufsichtführende Akteur*innen angesehen?
    • Wie spielen technik- und zeitbedingte Unsicherheiten und Ungewissheiten und Vertrauen in die nukleare Entsorgung zusammen?Und wie werden diese Unsicherheiten wahrgenommen, wie wirkt sich diese Wahrnehmung auf das Vertrauen aus?

    In TAP TRUST verbinden wir somit ingenieurtechnische, naturwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Disziplinen und Forschende mit Akteur*innen aus der Bevölkerung und schaffen mit weiteren Beteiligten auf dem Gebiet der nuklearen Entsorgung eine transdisziplinäre Plattform. Diese Gruppen können sich auf dieser Plattform austauschen und Lösungen für spezielle Probleme diskutieren und erkunden.

    Ein Beispiel der Arbeit von TRUST an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist die Umweltüberwachung. Gemeinsam werden Forschende und Bürger*innen ein Programm ausarbeiten, wie zukünftig von einem Endlager betroffene Bürger*innen selbst an Maßnahmen zur Umweltüberwachung beteiligt werden können. Wir wollen besser verstehen, wie die verschiedenen Akteur*innen zusammenwirken und miteinander umgehen. So können wir Wege aufzeigen, unter welchen Bedingungen Vertrauen wachsen und beibehalten werden kann. Das heißt, dass wir auch die gemeinsame Arbeit von Forschenden und Bürger*innen reflektieren. Dies erfolgt in einem eigenen Arbeitspaket Transdisziplinaritätsforschung.

    1 Das "Gendersternchen" macht im Folgenden als Platzhalter-Zeichen sichtbar, dass Menschen aller Geschlechter gleichermaßen adressiert sind; es sei denn, eine Formulierung bezieht sich explizit auf ein bestimmtes Geschlecht.

  • Wir leben in einer hochtechnisierten Gesellschaft. In dieser kann nicht jede(r) alle Aufgaben selbst erfüllen (wie etwa auf einem autarken Hof); die Arbeiten werden auf Spezialist*innen1 aufgeteilt. Diese Arbeitsteilung muss gut durchdacht, die einzelnen Tätigkeiten müssen gut aufeinander abgestimmt sein, sodass ein Gemeinwesen funktionieren kann. Bestimmte gesellschaftliche Aufgaben müssen folglich an Institutionen und Personen übertragen werden, die über das notwendige Sachwissen verfügen. Im Beispiel der fachgerechten Entsorgung hochradioaktiver Abfälle sind dies bestimmte Einrichtungen, wie das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) oder auch Expert*innen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Diejenigen, die nicht über das notwendige Sachwissen verfügen – und das betrifft die meisten Bürger*innen – müssen sich auf die Arbeit der jeweiligen Expert*innen verlassen können, sie müssen ihnen vertrauen. Diese sollen schließlich stellvertretend für die gesamte Gesellschaft die Sicherheit der nuklearen Anlagen gewährleisten. Vertrauen in die beteiligten Akteur*innen (und Institutionen) spielt daher bei sicherheitsrelevanten Themen wie der Entsorgung nuklearer Abfälle eine zentrale Rolle.

    Vertrauen in Expert*innen und Institutionen ist nicht per se gegeben, sondern wird u.a. wesentlich durch den (wahrgenommenen) Sachverstand, Integrität, Unabhängigkeit und auch Transparenz der handelnden Akteur*innen bestimmt und aufgebaut. Vertrauen ist bei einem so kontrovers diskutierten Thema, das mitunter auch emotional aufgeladen ist, eine große Herausforderung. In TRUST untersuchen wir daher, welche Faktoren dem Vertrauensaufbau förderlich sind. Unter anderem untersuchen wir, wie bei der Vermittlung und Beurteilung von Wissen die immer vorhandenen Unsicherheiten und deren Kommunikation den Vertrauensaufbau beeinflussen.

    Schon jetzt laufen die Vorbereitungen zur Standortauswahl, geleitet durch das BASE und ausgeführt von der BGE. Auch die künftigen Phasen des Entsorgungspfades (Standortwahl, Genehmigungsverfahren, Bau, Einlagerungsphase, etc.) werfen ihre Schatten voraus und beeinflussen den Prozess der Standortfindung. Auch für diese Phasen muss der Grundstein für Vertrauen gelegt werden. Passende Instrumente der Verfahrens-Beteiligung können dabei helfen.

    Hieraus ergeben sich folgende Leitfragen, die unseren Themenkorridor bestimmen (Themenkorridor meint dabei, dass die Themen noch Gestaltungsraum durch Beteiligte aus der Zivilgesellschaft für die transdisziplinäre Forschung zulassen):

    • Wie spielen technik- und zeitbedingte Unsicher- und Ungewissheiten sowie Vertrauen in der nuklearen Entsorgung zusammen (und welche Schwierigkeiten ergeben sich für die damit verbundenen Entscheidungsprozesse)?
    • Eine wichtige sozialwissenschaftliche Frage dreht sich um die Rolle des Vertrauens in zuständige Akteur*innen (z.B. BGE) und aufsichtführende Stellen. In TRUST sollen daher durch Zurverfügungstellen technischer Ausrüstung und kostenloser Schulung Bürger*innen in die Lage versetzt werden, selbständig Umweltradioaktivität zu messen. Interessant für TRANSENS ist z.B. ob und wie sich die Wahrnehmung von Messergebnissen und ihren Unsicherheiten verändert?
    • Auch die naturwissenschaftlich-technischen Fragen in TRUST sind an sich schon komplex und haben mit inhaltlichen und zeitlichen Unsicherheiten zu tun und so stellt sich die Frage, wie Unsicherheiten und Ungewissheiten im Ablauf technisch-naturwissenschaftlicher Prozesse kommuniziert und behandelt werden können. In TRUST wird dies am Beispiel der zum Monitoring eines Endlagers notwendigen Modelle und Techniken erarbeitet.
    • Zusammenfassend heißt das für TRUST als Fragestellung: Wie kann Ingenieur- und naturwissenschaftliche Forschung und deren Kommunikation gestaltet werden, damit sie im Verbund mit sozialwissenschaftlichen Forschungsansätzen und unter Einbezug von Akteur*innen aus der allgemeinen Bevölkerung im Sinne der Vertrauensbildung bei der nuklearen Entsorgung einen Mehrwert erzeugt?

    Dabei kommt den technischen Disziplinen eine Doppelrolle zu. Zum einen schaffen sie notwendiges Grundlagenwissen für das bessere Verständnis der oben angesprochenen Errichtungs- und Einlagerungsphase und der möglicherweise erforderlichen Rückholung; zum anderen sind sie Teil des zu untersuchenden Zusammenwirkens von naturwissenschaftlich-technischer Expertise, systemimmanenten Ungewissheiten, Kommunikation, Öffentlichkeitsbeteiligung und Vertrauen (vgl. Transdisziplinaritätsforschung).

    1 Das "Gendersternchen" macht im Folgenden als Platzhalter-Zeichen sichtbar, dass Menschen aller Geschlechter gleichermaßen adressiert sind; es sei denn, eine Formulierung bezieht sich explizit auf ein bestimmtes Geschlecht.

  • TRUST besteht aus vier Modulen (siehe Schaubild), an denen die Arbeitsgruppe Bevölkerung (AGBe) sowie Gruppen unterschiedlicher wissenschaftlicher Expertise beteiligt sind: transdisziplinäre Forschung (ETH-TdLab), Radioökologie und Strahlenschutz sowie Sozialpsychologie (LUH-IRS), Ingenieurwissenschaften (TUBS-IGG) und Geomechanik (TUC-LfDG):

    • Modul 1 (LUH-IRS, ETH-TdLab) reflektiert den übergreifenden Rahmen des gesamten TAP. Hier geht es ganz grundsätzlich um das Zusammenspiel von Wissenschaftler*innen1 und Vertreter*innen der allgemeinen Bevölkerung (AGBe – siehe unten) sowie um die Bedeutung von Vertrauen,
    • Modul 2 (LUH-IRS, ETH-TdLab) beteiligt Bürger*innen bei der Erhebung und Auswertung von Umweltüberwachungsdaten,
    • Modul 3 (TUBS-IGG) befasst sich mit der gemeinsamen Bestimmung von Ungewissheiten und Akzeptabilität bei bestimmten technischen Aspekten einer potentiell erforderlichen Rückholung,
    • Modul 4 (TUC-LfDG) umfasst den Diskurs zu Nahfeld-Monitoring bei der Endlagerung.

    Die AGBe spielt innerhalb der Arbeit von TRUST eine zentrale Rolle. Dieser Gruppe gehören Personen verschiedener Alterstypen, beiderlei Geschlechts sowie unterschiedlicher Berufe aus neun verschiedenen Bundesländern an. Sie wurde aus einer Online-Startbefragung rekrutiert, an der sich ca. 5000 Personen beteiligt haben. Etwa 700 davon hatten Interesse an einer Mitarbeit in der AGBe bekundet. Unter Anwendung verschiedener Kriterien (z.B. technisches Grundverständnis, Kommunikationsfähigkeit, etc.) wurden schließlich 17 Personen in einem aufwändigen, gestuften Verfahren für die Mitwirkung in der AGBe ausgewählt.

    Die AGBe ist im September 2020 erstmalig zu einem Gründungstermin in Hannover zusammengekommen und hat ihre Arbeit aufgenommen.

    1 Das "Gendersternchen" macht im Folgenden als Platzhalter-Zeichen sichtbar, dass Menschen aller Geschlechter gleichermaßen adressiert sind; es sei denn, eine Formulierung bezieht sich explizit auf ein bestimmtes Geschlecht.

  • Funktion und Rekrutierung der Arbeitsgruppe Bevölkerung in TRANSENS

     

    Im Forschungsprojekt TRANSENS wird über die gesamte Projektlaufzeit eine Personengruppe von außerhalb der Wissenschaft einbezogen – die Arbeitsgruppe Bevölkerung (kurz AGBe). Nachdem etwa 700 Personen in einer vom Institut für Radioökologie und Strahlenschutz (IRS, LU Hannover) und der ETH Zürich entwickelten repräsentativen Online-Umfrage (ca. 5‘000 Befragte) im Frühjahr 2020 ihr Interesse an einer AGBe-Mitarbeit bekundet hatten, konnten über ein kriteriengeleitetes, mehrstufiges Verfahren schließlich 17 Personen ausgewählt werden (neun Frauen und acht Männer). Hierbei wurden sozialpsychologische Kriterien (z.B. Teamfähigkeit) sowie ein ausgewogenes Verhältnis von Bildungs- und Altersgruppen berücksichtigt (siehe hierzu auführlich: Rekrutierungsbericht). Außerdem sollten die Personen als ‚extended peer community‘ (Funtowicz & Ravetz, 1993) keine Expertinnen oder Stakeholder im Bereich Endlagerung sein.

    Am 26. September 2020 fand in Hannover die konstituierende Sitzung mit 15 angereisten Personen aus sieben Bundesländern statt.

    Die AGBe besteht derzeit aus 16 Mitgliedern, die ihre Meinungen und Wissensbestände in den Forschungsprozess einbringen und gemeinsam mit den Projektbeteiligten aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedliche Fragestellungen reflektieren und bearbeiten. Im Folgenden finden Sie Berichte zu bisherigen Workshops.

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