Glossar

 

 

 

Arbeitsgruppe Bevölkerung (AGBe)

Die Arbeitsgruppe Bevölkerung (AGBe) setzt sich derzeit aus 16 Bürger*innen aus verschiedenen Regionen Deutschlands zusammen. Die neun Frauen und sieben Männer – allesamt keine Stakeholder mit Blick auf das Thema Endlagerung – bilden verschiedene Alters-, Bildungs- und Berufsgruppen ab und wurden in einem mehrstufigen und kriteriengeleiteten Verfahren rekrutiert (ausführlicher siehe Rekrutierungsbericht). Die AGBe stellt ein zentrales Element innerhalb der transdisziplinären Forschung in TRANSENS dar und soll Themen entlang des Entsorgungspfades radioaktiver Abfälle reflektieren. Als „extended Peer community“ soll sie zur gemeinsamen Erarbeitung neuen Wissens durch Wissenschaftler*innen und Akteure der Zivilgesellschaft beitragen (siehe Glossar-Eintrag Co-Production). 


 

 

 

 

Co-Design

‚Co-Design‘ bezieht sich auf die gemeinsame Definition des Forschungsprojekts in transdisziplinärer Forschung. Dabei geht man davon aus, dass ein Thema wie das in TRANSENS vorliegende je nach Perspektive ganz unterschiedlich verstanden und daher auch unterschiedlich definiert werden kann. Vereinfacht gesagt, kann ein Thema/Problem aus einer Forschungslogik heraus definiert werden, indem man z.B. in einer bestimmten Disziplin einen Beitrag zur Theorieentwicklung leisten will. Man kann das gleiche Problem aber auch aus einer gesellschaftlichen Perspektive heraus bestimmen, indem z.B. die praktische Lösung im Vordergrund steht. Die Fragestellungen sind in der Folge unterschiedlich. Unter ‚Co-Design‘ Bedingungen würden Forschende und Praxisakteure das ‚Problem‘ gemeinsam bestimmen, was unter Umständen einen intensiven Verständigungsprozess nötig macht.

 

 

 

 

Co-Production

In Zusammenhang mit transdisziplinärer Forschung steht der Begriff ‚Co-Production‘. Er bezieht sich auf das gemeinsame Erarbeiten von Wissen durch Forschende verschiedener Disziplinen und Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft resp. Staat. Dabei greifen zwei Prozesse ineinander: Ein wissenschaftlicher Prozess der Wissensproduktion und ein gesellschaftlicher Prozess der Problembearbeitung.

 

 

 

 

Einschlusswirksamen Gebirgsbereich (ewG)

Das Standortauswahlgesetz definiert den einschlusswirksamen Gebirgsbereich (ewG) als den „Teil eines Gebirges, der bei Endlagersystemen, die wesentlich auf geologischen Barrieren beruhen, im Zusammenwirken mit den technischen und geotechnischen Verschlüssen den sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle in einem Endlager gewährleistet“. Damit wird eine wesentliche Eigenschaft des Sicherheitskonzepts für ein Endlager beschrieben: Die Geologie ist essentiell für den Einschluss der Abfälle. Das Standortauswahlgesetz ermöglicht auch eine weitere Option: „Für das Wirtsgestein Kristallingestein ist […] für den sicheren Einschluss ein alternatives Konzept zu einem einschlusswirksamen Gebirgsbereich möglich, das deutlich höhere Anforderungen an die Langzeitintegrität des Behälters stellt.“ In einem solchen Fall ist die wichtigste Rolle der geologischen Umgebung nicht die Gewährleistung des Einschlusses selbst, sondern die Gewährleistung einer mechanisch, hydraulisch und chemisch stabilen Umgebung für den Behälter.

 

 

 

 

Fokusgruppe

Bei einer Fokusgruppe handelt es sich um eine geplante und durch professionelle Moderation begleitete Diskussion. Einschätzungen und  Erwartungen der Teilnehmer*innen sowie das offene Durchspielen gemeinsam entwickelter Überlegungen stehen im Mittelpunkt. Das Sortieren von thematischen Konzepten und die Entwicklung kreativer Sichtweisen und Ideen steht im Mittelpunkt der Durchführung und Planung einer Fokusgruppe. Wissenschaftlich geht es darum, die strukturierte Diskussion einer interaktiven Gruppe zu beobachten. Methodisch handelt es sich um eine etabliertes Instrument der empirischen  Sozialforschung. Von Ansatzpunkt her ist sie als  Kombination von Elementen eines fokussierten Interview und einer Diskussionsgruppe zu verstehen. Fokusgruppen lassen sich mi unterschiedlichsten Personengruppen durchführen. Wissenschaftler und hochspezialisierte Experten gehören ebenso das zu wie Stakeholder und Laien.

Weiterführende Literatur

Barbour, Rosaline S. (2018): Doing focus groups. 2nd edition. Edited by Uwe Flick, Los Angeles: SAGE (The SAGE qualitative research kit)

Krueger, Richard A.; Casey, Mary Anne (2015): Focus groups. A practical guide for applied research. 5th edition. Thousand Oaks, California: SAGE.

Schulz, Marlen; Mack, Birgit; Renn, Ortwin (2012): Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft. Von der Konzeption bis zur Auswertung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Steyaert, Stef; Lisoir, Hervé; Nentwich, Michael (2006): Leitfaden partizipativer Verfahren. Ein Handbuch für die Praxis. Hg. v. Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA). Österreichische Akademie der Wissenschaften. Wien.

 

 

 

 

Passive Sicherheit (nach Endlagerverschluss)

Sicherheit, die nicht von menschlichem Handeln (z. B. Überwachungen oder Reparaturen) oder technischen Vorkehrungen, die eine Energieversorgung benötigen, abhängig ist, sondern allein durch die Eigenschaften und das Zusammenwirken der geologischen, geotechnischen und technischen Komponenten des Endlagersystems gewährleistet wird.

Der Begriff wird häufig synonym oder zusammen mit dem der Wartungsfreiheit verwendet.

 

 

 

 

Safety Case

International gebräuchliche Bezeichnung für ein Berichtswerk, das die Sicherheit eines Endlagers während der Errichtung, der Einlagerung („Endlagerbetrieb“), der Stilllegung sowie nach dem Verschluss darlegt und belegt. Der Safety Case wird zusammen mit dem Sicherheitskonzept, dem Endlagerkonzept und entsprechend des jeweiligen Forschung- und Erkundungsstandes schrittweise weiterentwickelt. Dies bedeutet, dass der Safety Case auch systematisch auf offene Fragen und Ungewissheiten verweist, er ist eine wichtige Entscheidungsgrundlage hinsichtlich des weiteren Vorgehens. Entscheidungen auf Grundlage des Safety Case können betreffen:

  • Die Erkundung (von über oder von unter Tage) einer Region oder eines Standorts oder die Auswahl eines Standortes. In Deutschland fordert das Standortauswahlgesetz für diese Entscheidungen so genannte „vorläufige Sicherheitsuntersuchungen“, deren Konzept denen des Safety Case entspricht.
  • Die Auswahl eines oder mehrerer Endlagerkonzepte zur Weiterentwicklung bzw. Optimierung.
  • Die Errichtung (Baubeginn) eines Endlagers. In Deutschland erfordert diese im Falle eines Endlagers für hoch radioaktive Abfälle eine Genehmigung nach § 9b (1a) des Atomgesetzes. Der dann notwendige Safety Case trägt im Entwurf des BMU zu den Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung in Übereinstimmung mit der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung die Bezeichnung „Sicherheitsbericht“.
  • Den Beginn der Einlagerung („Endlagerbetrieb“).
  • Die Fortsetzung des Endlagerbetriebs – hierzu sind periodische Sicherheitsüberprüfungen entsprechend § 19a Absätze 3 und 4 des Atomgesetzes erforderlich.
  • Den Beginn des Verschlusses.
  • Programme für Standorterkundung und / oder Forschung und Entwicklung.

In den nationalen Endlagerprogrammen gebräuchliche Bezeichnungen für den Safety Case sind 'total system performance analysis' (USA), 'dossier de sûreté' (Frankreich), ‚säkerhetsanalys‘ (Schweden), 'Sicherheitsnachweis' (Schweiz) und 'estudio de seguridad' (Spanien).

In der „Safety Case Brochure“ der OECD/NEA werden methodische Grundlagen des Safety Case dargelegt. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA hat einen Sicherheitsstandard zum Safety Case entwickelt. Beide Dokumente befassen sich hauptsächlich mit der Sicherheit nach dem Verschluss eines Endlagers (Langzeitsicherheit). In fortgeschrittenen Endlagerprogrammen ist auch die Darlegung der Sicherheit während der Errichtung, des Betriebes und der Stilllegung eine wesentliche Komponente des Safety Case und eine Genehmigungsvoraussetzung, vgl. hierzu z. B. den französischen Bericht zum Endlagerbetrieb (2016).

 

 

 

 

Standortauswahlgesetz (StandAG)

Die Suche nach einem Standort für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle in Deutschland ist gesetzlich geregelt. Das Standortauswahlgesetz von 2017 legt fest: „Mit dem Standortauswahlverfahren soll in einem partizipativen, wissenschaftsbasierten, transparenten, selbsthinterfragenden und lernenden Verfahren für die im Inland verursachten hochradioaktiven Abfälle ein Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung [..] in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt werden. Der Standort mit der bestmöglichen Sicherheit ist der Standort, der im Zuge eines vergleichenden Verfahrens aus den in der jeweiligen Phase nach den hierfür maßgeblichen Anforderungen dieses Gesetzes geeigneten Standorten bestimmt wird […]. Die Festlegung des Standortes wird für das Jahr 2031 angestrebt.“

Eine wesentliche Grundlage des Gesetzes ist der Abschlussbericht der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe („Endlagerkommission“) aus dem Jahr 2016.

 

 

 

Themenkorridor
Transdisziplinäre Forschung erfolgt in TRANSENS in den vier transdisziplinären Arbeitspaketen (TAP) DIPRO, HAFF, SAFE und TRUST. Inhaltlich stehen die TAP für sogenannte Themenkorridore. Der Begriff des Themenkorridors wird verwendet, um die Besonderheiten des transdisziplinären Forschungsansatzes zu verdeutlichen. Ein Themenkorridor wird durch eine übergeordnete Forschungsfrage definiert. Der Begriff kennzeichnet die Tatsache, dass Themenwahl und -breite auch während der transdisziplinären Forschung noch Veränderungen unterliegen kann. Im Korridor ist Raum für Kommunikation, Kooperation und Verständigung, der abhängig vom Fortgang des transdisziplinären Prozesses genutzt und ausgestaltet werden kann. Das heißt auch, sich mit Nichtspezialisten (Praxisakteuren) zu einem fortgeschrittenen oder späteren Zeitpunkt des Vorhabens über einzelne Forschungsfragen, -gegenstände und -herangehensweisen zu verständigen.

 

 

 

 

Transdisziplinäre Forschung

Transdisziplinäre (td) Forschung ist das leitende Forschungsprinzip von TRANSENS. Im Kern ist darunter problemorientierte Grundlagenforschung zu verstehen. Dabei wird Wissen aus unterschiedlichen Wissensbeständen integriert, also nicht nur Wissen, das in der Hochschule, sondern auch solches, das in einem Dialog mit der Gesellschaft entsteht.

In der Literatur finden sich verschiedene und nicht immer miteinander kompatible Erläuterungen des Begriffs der transdisziplinären Forschung. Dem Verbundvorhaben TRANSENS liegt das Verständnis zugrunde, dass Transdisziplinarität und damit transdisziplinäre Forschung ein reflexives, integratives, methodengeleitetes wissenschaftliches Prinzip ist, das auf Lösung eines gesellschaftlichen Problems und darauf bezogener wissenschaftlicher Herausforderungen (im Fall von TRANSENS: die sichere und akzeptable Entsorgung hoch radioaktiver Abfälle) ausgerichtet ist. Neben Wissenschaftlern werden dabei auch Nicht-Spezialisten und Praxisakteure in die Forschungspraxis einbezogen. Transdisziplinarität beinhaltet immer auch Interdisziplinarität, als Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen innerhalb der Hochschulen; sie geht aber darüber hinaus.

Damit sollen verschiedenartige Wissensbestände und Erwartungen berücksichtigt, Forschungsfragen gemeinsam weiterentwickelt und gegenseitiges Lernen ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang steht auch der Begriff Co-Design/problem framing, der sich dabei auf die gemeinsame Definition des Forschungsprojekts bezieht. Unter Co-Production wiederum verstehen wir die Wissensproduktion; dies meint, dass neues Wissen gemeinsam von Wissenschaftlern und Praxisakteuren erzeugt wird.

Bei TRANSENS erfolgte die erste Problemdefinition zwischen den beteiligten Forschungsgruppen, war also interdisziplinär. Transdisziplinäre Forschung erfolgt in den vier TAP DIPROHAFFSAFE und TRUST. Sie grenzt sich ab von Transdisziplinaritätsforschung (auch: Begleitforschung), welche sich mit der transdisziplinären Forschung als Forschungsgegenstand beschäftigt.